Freitag, 2. Oktober 2015

Privates Baurecht: Darlegungslast und Prozessförderungspflicht bei der Berechnung der Nachtragshöhe


Regelmäßig kommt es zwischen Bauvertragsparteien zu Streit, auf welcher Grundlage eine Nachtragsforderung zu berechnen ist. Diese Frage ist auch in Rechtsprechung und Literatur umstritten und zwar für Bauverträge mit und ohne Vereinbarung der VOB/B.

Das Oberlandesgericht Dresden hatte über eine Berufung zu beschließen, die von der Klägerin gegen einen abweisenden Beschluss des Landgerichts Leipzig geführt wurde.



Gegenstand des Rechtsstreites war in der 1. Instanz u.a. eine Nachtragsforderung der Klägerin für zusätzliche Leistungen im Zusammenhang mit dem Einbau einer hydraulisch gebundenen Tragschicht. Das Landgericht ordnete die Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens an, wobei sich der Sachverständige u.a. dazu äußern sollte, ob die von der Klägerin herangezogenen Preise den kalkulatorischen Preisansätzen der ursprünglichen Beauftragung entsprechen. Der Gutachter wies darauf hin, dass er für die Beantwortung der Beweisfrage u.a. die ursprüngliche Kalkulation der Klägerin benötigt. Das Landgericht gab der Klägerin fristgebunden auf, die Urkalkulation vorzulegen. Dem kam die Klägerin jedoch nicht nach. Das Landgericht wies die Klage zurück.

Ihre Berufung begründet die Klägerin unter anderem damit, dass es für die Berechnung des streitigen Nachtrages auf die Ur- bzw. Auftragskalkulation deswegen nicht ankomme, weil diese für die Nachtragsleistung weder Kostenelemente noch vergleichbare Positionen enthielte. Zudem habe sie eine Nachtragskalkulation für die strittige Zusatzleistung vorgelegt, die vom gerichtlich bestellten Sachverständigen mit dem Ergebnis überprüft wurde, dass die dort in Ansatz gebrachten Preise ortsüblich und angemessen sind.

Das Oberlandesgericht weist die Berufung als unbegründet zurück. Es führt dazu aus, dass jedenfalls bei Vereinbarung nach der VOB/B nach herrschender Auffassung die Vergütung für eine geänderte oder zusätzliche Leistung nach den sogenannten Preisermittlungsgrundlagen zu berechnen ist, also durch eine kalkulatorische Preisfortschreibung mit einer möglichst weitgehenden Anknüpfung an die Kostenelemente der Auftragskalkulation. Für den neu zu bildenden Preis sind grundsätzlich die gleichen Kostenelemente zu wählen wie in der vom Auftragnehmer dem Vertrag zugrundegelegten Kalkulation. Hierbei greift das OLG die aktuelle Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 14.03.2013 – VII ZR 142/12) auf.

Die schlüssige und nachvollziehbare Darlegung eines Mehrvergütungsanspruches setzt daher die Vorlage der Urkalkulation voraus. Das gilt nach Auffassung des OLG auch dann, wenn diese keine Anknüpfungspunkte für die Nachtragsleistung enthält, denn die Überprüfung, ob an Kostenbestandteile der Urkalkulation angeknüpft werden kann, ist ohne deren Vorlage nicht möglich.

Schließlich erkennt das OLG auch eine Verletzung der Prozessförderungspflicht durch die Klägerin, da sie die Urkalkulation nicht rechtzeitig vorgelegt hat. Weil die Klägerin trotz fristgebundener Aufforderung die Urkalkulation nicht vorgelegt hat, durfte das Landgericht die nach Fristablauf vorgelegte Urkalkulation gemäß § 356 ZPO unberücksichtigt lassen.

Nach Auffassung von Wollmann & Partner zeigt diese Entscheidung eindrucksvoll, dass der einen Mehrvergütungsanspruch wegen geänderter oder zusätzlicher Leistungen geltend machende Auftragnehmer sich zur Darlegung seines Anspruches immer streng an den Vorgaben zur Berechnung des Anspruches aus § 2 VOB/B orientieren sollte. Dazu gehört regelmäßig die Vorlage der Urkalkulation. Legt der Auftragnehmer die Urkalkulation nicht vor, geht er das Risiko ein, dass sein Anspruch ohne inhaltliche Prüfung vom Gericht als unbegründet zurückgewiesen wird.


OLG Dresden, Urteil vom 15.01.2015, Az.: 9 U 764/14

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